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Texte von Ausstellungseröffnungen...

Mag. Erwin Fiala, 2016,
zur Ausstellungseröffnung „enthüllt“ Galerie Centrum, Graz,

Im Mittelpunkt der malerisch-grafischen Arbeiten Josef Niederls steht der Mensch, das menschliche Wesen oder vielleicht besser das „Wesen des Menschen“? Wenn er der Ausstellung den Titel „enthüllt“ gibt, dann weiß er aber auch, dass jede scheinbare Enthüllung immer auch eine Form der „Verhüllung“ ist. Es mutet vielleicht paradox an, aber jede Gestaltgebung ist im Grunde auch das Verbergen anderer möglicher Gestaltgebungen, jede Form enthüllter Sichtbarkeit ist das Verbergen anderer möglicher Formen im Unsichtbaren, m. a. W. keine malerisch und grafisch fixierte Form bzw. Gestalt des Menschen bildet die „wirkliche“, die letztgültige Form ab – immer können nur einzelne Aspekte zur bildlichen Erscheinung gebracht werden. Dem entspricht auch, dass es kein einmal fixiertes, statisches, ein für allemal gültiges „Wesen“ des Menschen gibt, jedes menschliche Individuum schillert und oszilliert in unendlich vielen Facetten und Aspekten – und diesen faszinierenden Möglichkeiten der menschlichen Erscheinungsformen will Josef Niederl nachspüren, sie in momenthaften Situationen dennoch irgendwie „festhalten“ – aber die Figuren – ob als Modell oder als grafische Form – sie bleiben in Bewegung, sie verändern ihre Erscheinungsformen.
Noch bevor ein bestimmter Moment wirklich fixiert ist, wird versucht eine andere „Situation“, eine andere Körperstellung zeichnerisch und malerisch zu „erfassen“, sodass sich die skizzenhaft gebildeten und eigentlich nicht abgebildeten Figurationen auf den Blättern verdoppeln und vermehren, sich in unterschiedlichen Positionen auf demselben Bildausschnitt vermehren, um so auch die unterschiedlichen Aspekte anzudeuten – die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Menschen. So verbinden und verschränken sich im Grunde Bildaspekte derselben Personen zu einer komplexen Bildszene, gehen oft ineinander über und scheinen im wahrsten Sinne in einer simultanen Synthese miteinander zu verschmelzen.
Entweder nimmt er Bewegungsmomente der Modelle zum Anlass der figuralen Form oder er beginnt selbst das Modell zu umwandern, um bestimmte neue Aspekte zu finden, um diese polyperspektivischen Fragmente doch in einer Einheit zu erfassen, in einer Einheit, die aber niemals fertig und fest gefügt ist, sondern die im Grunde nach außen hin weiter offen bleibt – man könnte auch sagen, die es der Phantasie des Betrachters überlässt, weitere Aspekte hinzuzufügen, dem Bildgefüge eigene Szenen beizufügen.
Diese offene Struktur der Bildgestaltung findet sich auch in der Linienführung und der Farbgestaltung, im Wechselspiel zwischen Farbfläche und linearer Figuration angesprochen. Ebenso wie sich das Wesen eines Menschen nicht in einer starren Gegenständlichkeit darstellen lässt, so dürfen auch die Linienführung, die Konturen und die Farbflächen nicht zu starren Formen „gefrieren“ – sie müssen offen bleiben, sich ineinander verzahnen, ineinander übergehen – einen Spielraum offen lassen, um den herum sich die Figuren bilden, aber immer auch irgendwie in der Schwebe bleiben. In diesem Sinne fließen die Farbflächen oft über die Figurengrenzen hinaus – die Funktion der Farbe ist weniger die Betonung fester Gestaltgebung, sondern bildet meist das verbindende Element zwischen den einzelnen skizzierten figuralen Szenen – auch damit wird die Eigenschaft der Linie – eine Fläche klar und eindeutig abzugrenzen – relativiert und gemindert: Wesen und Erscheinungsform des Menschen lassen sich nicht in eindeutigen Be- und Umgrenzungen fixieren!
Gestaltungstheoretisch sind die Arbeiten Josef Niederls vor allem durch diese Spannungsmomente zwischen den Eigenschaften der grafischen Linie und der malerischen Fläche gekennzeichnet. Während die Linie doch irgendwie zur Figuration und Gestalt drängt, tendieren Farben und Flächen bis in amorphe Abstraktionen – gerade dieses Wechselspiel erlaubt den Figuren im wahrsten Sinne des Wortes „in Bewegung“ zu bleiben, nicht zu leblosen Statuen zu erstarren – sie sind eben immer Enthüllung und Verhüllung zugleich, sie sind gleichsam mehrere Aspekte, Formen und Figurationen zugleich, die noch durch (unendlich) viele mögliche Erscheinungsformen zu ergänzen wären. Als Menschen sind wir eben nicht eins sondern Viele, wir haben kein endgültiges Wesen, keine endgültige Erscheinungsform – wir haben unendlich viele Escheinungsformen – und einigen ist Josef Niederl auf der Spur!

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Mag. Claudia Rief-Taucher, 2012,
für die Reihe ART-faces der Kultur Service Gesellschaft Steiermark

„Die größte Herausforderung beim Zeichnen“ ist Josef Niederls zentrales Thema: der Mensch.
„Wir sind immer von Menschen umgeben, und ich bin gerne unterwegs, um Menschen zu beobachten“, erzählt der gebürtige Oststeierer Josef Niederl, dessen künstlerisches Interesse von Lore und Lois Sammer in der Mittelschulzeit geweckt und gefördert wurde. Waren seine grafischen und malerischen Anfänge noch „in einem abstrakten Liniengefüge aufgelöst“ und der Betrachter gefordert, es einem verwirrenden Puzzlespiel ähnlich im Kopf wieder zusammenzufügen, so entwickelte sich Niederl zu einem Künstler, der Farbe, Struktur und grafisches Element zu einem harmonischen Ganzen fügt, das genug Geheimnisvolles in sich birgt, um der Fantasie Freiräume für Fragen, Interpretationen und vor allem Neugier zu schaffen.
Unzählige Aktstudien in seinen Skizzenbüchern sind die Basis der künstlerischen Arbeit, die für Niederl immer faszinierendes „Wechselspiel zwischen Figuren und Farben“ darstellt. Auf diese Art werden Gestalten ineinandergesetzt und durch das Umwandern des Modells während des Zeichnens ergeben sich in einem Werk mitunter unterschiedliche Positionen und Ansichten der menschlichen Figur. Ein spontaner Gedanke, eine Szene oder Situation steht am Anfang eines Werks, das zuerst durch Farbflächen oder grundsätzlich sogar durch farbige Blätter geprägt wird. Erst später binden dann die grafischen Formen, meist menschliche Gestalten, das Bild farblich und geben ihm eine inhaltliche und formale „Fassung“.
In der gleichen Reihenfolge wie bei der Entstehung erschließen sich Josef Niederls Aquarelle und Acrylmalereien den Betrachtern - ein unbestimmter Farbrausch nimmt den ersten Blick gefangen, auf den zweiten Blick werden die geheimnisvollen Farbflächen von der Linie eingesammelt, erscheinen gebündelt, manchmal ordnend und zügelnd. An der einen oder anderen Stelle finden sich auch Schriftzüge auf seinen Bildern, die durch kurze Textskizzen den geheimnisvollen und rästelhaften Charakter in seinen Werken noch verstärken. Die Fantasie der Betrachter darf abheben, sich ausdehnen.
Die Malerei begleitete ihn durch seine Schul- und Studienzeit - die Entscheidung für ein technisches Studium war eine pragmatische, doch scheint Niederl eine gute Balance mit all seinen Lebensbereichen gefunden zu haben. Prägend für seine frühe künstlerische Entwicklung waren auf jeden Fall die eingangs erwähnten Grazer Künstler Lore und Luis Sammer. Auch die Arbeit des von ihm verehrten süsteirischen Malers Gerald Brettschuh - und hier vor allem dessen Aquarelle - beeinflusst(e) sichtlich Josef Niederls Kunstwerke, die dennoch eigenständig und selbstbewusst ihren Platz im steirischen Kunstschaffen einnehmen.

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Prof. Kurt Zisler, 2009,
zur Ausstellungseröffnung „Mein Spiegel erzählt“ Galerie St. Salvator, Graz

„…Die Galerie hat sich verwandelt. Die einzelnen Bilder auf Papier, Leinen, mit Stiften; Farben und Worten… nehmen die Betrachterinnen mit ins Gespräch. In den Bildern geht es um den Menschen, denen sich das Werk Josef Niederls in den letzten Jahren widmet.
Der Spiegel bedeutet eine Begegnung mit sich selbst. Er ist in der Sicht der Psychologen für die Entwicklung des Menschen von entscheidender Bedeutung - von den Polen einer kritischen bis zu einer in sich selbst verliebten Betrachtung, von philosophischer und theologischer Suche nach dem, was wahrgenommen werden kann. So kann der Mensch nach Nikolaus Cusanus sich im Spiegel Gottes erkennen wie er ist, während die Menschen ihn nur in gebrochener Art wiederzugeben vermögen.
Es fällt bei den Arbeiten Josef Niederls der wohlwollende Blick auf den Menschen auf. Es erinnert an die Figur des Tschitschikow in Nikolas Gogols "Toten Seelen", der sich jeden Morgen in den Spiegel zu schauen pflegt und sich nach einem Backenstreich mit einem Lächeln verabschiedet.
Der Blick in den Spiegel wird bei Niederl um eine Ebene zurückversetzt: es nicht ein Ich, das sich im Spiegel sieht, sondern der Maler der diese Gestalt betrachtet und ans Licht hebt. Dabei werden die einzelnen Ebenen in den je eigenständigen Farben, und manchmal auch Texten umkreist und dadurch neu gestaltet.
…“

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Dir.Rat Curt Schnecker, 2008,
zur Ausstellungseröffnung „Was bist du mir“ Hofgalerie Bildungszentrum Raiffeisenhof, Graz

„…Versuchen wir uns nun dem Ursprung der hier vorliegenden Bildsprache anzunähern. Der Künstler beginnt damit, Strich um Strich mit Acryl Farben auf Papier oder Leinwand aufzutragen – die sich abzeichnenden, formenden Strukturen und Konturen erwachen allmählich zu figurativer Gestaltung – die Figur selbst findet ihr Werden und Sein im Wechselspiel grafisch – farbiger Elemente --- sie gewinnt personellen Charakter und kann sich schließlich zur Figurengruppe ausweiten.
Wir, die Betrachter des Kunstschaffens von Josef Niederl, betreten Neuland, entdecken neue Formen und verspüren dabei die Ankunft einer neuen Ästhetik.
… ein Kunstwerk lebt nun einmal von der Betrachtung, also ist der Betrachter immer zwingend. Er soll und will Nähe und Distanz wahrnehmen und dem Forscherdrang des Künstlers auf der Spur bleiben.
Und genau diesen Weg geht auch Winfried Franz Ganster in seinen literarischen Interpretationen der Bildersprache- und Welt von Josef Niederl.
Ebenso wie Niederl in spontaner Reaktion auf malerisch sich entwickelnde Konturen immer wieder neue Motive entstehen lässt – so gewährt uns unser Literat in seinen – wie er es nennt – „Wort und zeilenweisen Sprachbildern“ einen subtilen Einblick in die teils spielerisch-leichte, immer aber tiefgründige, zuweilen auch satirisch angelegte Ausgewogenheit der Bildsprache von Josef Niederl.
Wie ein roter Faden zieht sich durch diese Präsentation, das zentrale Thema unseres Ausstellenden, nämlich der Mensch.
In seinen jüngsten Arbeiten entdecken wir, neben der menschlichen Person, die sich zur Gruppe ausweitet, räumliche Installationen – etwa als Möbelstück einen Sessel – während in frühen Arbeiten der Mensch, die Person, sich, wie schon erwähnt, aus wenigen Farbstrichen erhebt jedoch seine Auflösung in der Abstraktion erfährt.
Josef Niederl arbeitet an etwas, dessen Endprodukt er nur sehr unscharf erkennen kann. Er ist kein Designer, der eine Form erprobt und anvisiert. Für ihn gilt, der Weg ist das Ziel. Zweckfrei ist er der beispielhaft Handelnde und damit gleicht er dem Forscher. Er entwickelt über sein Tun ein bildnerisches Denken, das einer Sprache gleicht. Letztendlich wird alles was er erschafft zum Teil einer Sprache und verkörpert sie. Dieser Herausforderung stellt sich Winfried Franz Ganster explizit und einfühlsam zugleich, prägend im Wortspiel, offen und klärend – nicht ohne den humorvollen Touch einer selbstkritischen Note.
…“

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Mag. Melitta Wasserthal-Zuccari, 2005,
zur Ausstellungseröffnung „Schau mal“ im Kulturzentrum Liebenau St. Paul, Graz

„…Josef Niederl ist ein hoffnungsvoll aufstrebender Künstler, der sich mit großer Sensibilität dem Thema „Aktzeichnung“ und „Aktmalerei“ stellt.
Eintaucht in Gesehenes – immer wieder respektvollen Abstand wahrend, um die Anonymität der Modelle bemüht, verweist er in seinen Zeichnungen auf die Verletzlichkeit entblöster Körper sowie die Offenbarung der Seele, in die er Einblick nimmt, wenn er zeichnet. Bewegungsabläufe einkalkuliert, Linien reißt, Bögen spannt, in flirrenden Fäden die Körper übernetzt.
Josef Niederl vermag dank seiner künstlerischen Ausdrucksweise die Aura ja mitunter der Modelle einzufangen. Lyrisch fächert er Figuren, mittels Drehungen beginnen sie sich zu verselbständigen.
Immer mehr erzählen seine Bilder Geschichten. Es sind gezeichnete Biographien in der Bildsprache des Augenblicks. Von einzelnen Personen wendet er sich duplizierend immer mehr Gruppierungen zu, zaubert Kommunikation in seine filigranen Bildwelten. Selbstkritisch ist Josef Niederl ein Suchender nach Perfektion, ohne dabei zu erstarren, wohl wissend um den Charme des Unperfekten erfüllt sich somit der Reiz seine Bilder.
Josef Niederls Themen sind:
Der Mensch in der Landschaft:
Schwere Leiber reihen sich aneinander und verwandeln sich zu einer Bergkette. Mit auslaufenden Tallinien ruhend im Abendlicht hat man Mühe den menschlichen Linien zu folgen, die sich zur Erde hin aufzulösen scheinen. Eine Metapher der Vergänglichkeit.
Der Mensch im Raum:
Durch kleine Gruppierungen entzündet er Spannung, durch Beiwerk eines Sessels schafft er ein Raumgefühl und dieser mutiert zur Dekoration und Symbol.
Seine künstlerische Ausdruckskraft zeigt in den letzten Jahren eine starke Entwicklung. Von vorerst überwiegend graphischen Elementen kommt er immer wieder mehr zur Farbe, die er über Körper legt und somit räumliche Installationen schafft, damit neues Terrain betritt.
Man darf gespannt und neugierig sein auf das was uns Josef Niederl noch in den nächsten Jahren präsentieren wird. …“

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Winfried Franz Ganster, 2000,
zur Ausstellungseröffnung „Entdecken“ im Pfarrsaal Liebenau St. Paul, Graz

„…Ausgehend von konkreten Vorlagen und Situationen, gibt es ein Abschweifen bis hin zur Abstraktion. Unvollendete Formen tauchen auf, ein Ineinanderfügen vermittelt immer wieder neue Inhalte.
Ein versetztes Gefüge  von Linien, Formen und Farben soll mehrfache Interpretationsmöglichkeiten schaffen. Projektierte und provozierte Herausforderung (der Betrachter) durch gezielte Namenlosigkeit und der Aufforderung eigene Bilder zu finden. Erzeugen (und Beibehaltung) von Spannung, durch immerwiederkehrende Spontanität in der Betrachtung.
Gegensätze: (die Verschmelzung) die Vermengung der Grenzen von Gegenständlichkeit und Abstraktion, als Gegenpole, die wenig bis kaum vermischte klare Farbgebung.
Themen – Symbole – Motive: menschliche Körper, Landschaft, Schiffe/ Boote bilden Einheit eines Lebensraumes. …“

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Hans Peter Bauer, 1999,
zur Ausstellungseröffnung „Insel-Träume“ im Bischöflichen Seminar, Graz

„…Linien sind das führende Element in seinen Werken. Manchmal zittrig und zart dann wieder kräftig bestimmend. Sie fließen, grenzen und begrenzen Flächen. Seine Liebe zur Abstraktion entstand schon in der Mittelschulzeit. Formen aufzulösen, sie zu zerlegen oder ineinanderzusetzen, faszinierte ihn. Durch Prof. Lore Sammer fand er im Unterricht Motivation und Mut aber auch Freiraum für seine künstlerische Entwicklung.
In den Jahren gewinnen Flächen und Farben in seinen Bildern immer mehr an Bedeutung. Wobei die Farben stets an Dominanz zunehmen. Die Linien tauchen ein in das Spannungsfeld der Farben. Sie fordern den Besucher einerseits auf, Distanz zu bewahren, andererseits aber auch in die Tiefe zu gehen, durch zu schauen.
Wenn ich die Bilder betrachte, spüre ich sanft den Pinselstrich von Prof. Luis Sammer, der nicht nur Lehrer war, sondern auch Vorbild. In der Lehrtätigkeit von Luis Sammer fand er einen Künstler, der die Strenge eines perspektivischen Striches zwar kannte und beherrschte, ihn aber nicht als Maß künstlerischen Wirkens sah.
Auch Josef Niederl möchte nicht dem Auge Vertrautes anbieten, reproduzieren, sondern er will eigene Formen entstehen lassen und freisetzen. In seinen Bildern geht es nicht um die Darstellung von Landschaften, Menschen oder Akten. Sie sind zwar vorhanden, aber sie stellen nur den Ausgangspunkt für sein Schaffen dar. Bilder aus Krk oder Klippen von Glavotok dienen als Matrize für etwas Neues. Menschliche Körper, skizzenhaft angedeutet, sind verwoben in den Linien und Flächen. Mehr noch, sie versuchen sich zu spiegeln und lassen so die Augen des Schauenden nicht ruhen. Körper oder Gesichtszüge – sie alle bleiben unvollendet. Die Vollendung sucht den Betrachter. …“

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